20 Übungen zur Achtsamkeit
Dieses Achtsamkeitsbuch leitet sich nicht aus der buddhistischen Meditationspraxis ab. Vielmehr plädiert der Autor für achtsames Verhalten im Alltag. Achtsameres Körperverhalten ermöglicht uns, ungestörter und lebendiger zu reagieren und zu handeln.
»Achtsamkeit« ist zum neuen Schlüsselwort in der Psychotherapie geworden. Ursprünglich aus der buddhistischen Meditationspraxis kommend, werden die heilsamen Effekte achtsamen Verhaltens nun auch bei der Behandlung psychischer und psychosomatischer Krankheiten geschätzt und breit eingesetzt: z. B. zur Stressreduktion, zur Behandlung depressiver Patienten und bei Borderline-Störungen.
Norbert Klinkenberg, ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet der Körperverhaltenstherapie, bezieht bereits seit Jahren körperbasierte Achtsamkeitsübungen in seine therapeutische Arbeit ein. Hier beschreibt und zeigt er eine große Auswahl an Übungen so detailliert, dass sie mühelos in jede therapeutische Arbeit übernommen werden können. Darunter sind Probiersituationen
- zur Erfahrung der Schwerkraft und Tragfähigkeit des Bodens
- zum Kontakt mit sich selbst
- zur Erfahrung von Leichtigkeit
- zum Energieeinsatz u. v. m.
In einem zweiten Teil werden Hintergründe vermittelt, z. B. zur Psychologie des Körpererlebens und der Körperwahrnehmung, aber auch zu Fragen der Aus- und Weiterbildung in achtsamkeitsbasierten Verfahren. Eine Hör-CD mit Anleitungen für ausgewählte Übungen liegt bei. Ein Buch aus der Praxis für die Praxis.
Heinrich Jacoby (1889 -1964) und
Elsa Gindler (1885 -1961):
Begründer der verhaltensbezogenen Körperarbeit
Vorwort
A Neurobiologie und Funktionsweisen achtsamen Verhaltens
1. Achtsamkeit als Verhaltenszustand
2. Achtsamkeit als Brücke zwischen Empfindung und Wahrnehmung
3. Achtsamkeit als Zugang zum Ganzen, zum Einzelnen und zum Angenehmen
4. Achtsamkeit als Basis des Lernens
5. Die Biologische Psychologie von Achtsamkeit
5.1 Beziehung zur Schwerkraft
5.2 Tragfähigkeit des Bodens
5.3 Boden als Widerstand
6. Achtsamkeit als Schlüssel zur »Erfahrleitung«
7. Störungen von Achtsamkeit
7.1 Fehler als Notwendigkeit
7.2 Angst, Aktivismus und Aggression
B Probiersituationen und Spiegelsätze, um achtsamer zu werden
Praktische Hinweise
1 Liegen auf dem Boden, Qualität des Liegens wahrnehmen, Verbesserungsmöglichkeiten empfinden, darauf reagieren, Boden als tragend empfinden und sich tragen lassen.
2 Liegend auf dem Boden ein Bein anziehen und den Widerstand des Bodens nutzen
3 Eine Beckenhälfte ablüften und der Schwerkraft folgend zum Liegen kommen, Auswirkungen studieren
4 Das im Liegen aufgestellte Bein vom Boden stützen lassen
5 Ein Bein mit der Schwerkraft zum Liegen kommen lassen
6 Im Liegen einen Unterarm gegen die Schwerkraft ziehen und den Boden nutzen
7 Arm in Rückenlage gegen die Schwerkraft ziehen, aufrichten, den Boden nutzen und balancieren
8 Stehen und vom Boden gestützt werden
9 Den Körper als Masse erfahren, sich tragen lassen: Kopf, Schultern, Kopf und Rumpf über den Füßen
10 Die eigene Masse im Stehen von beiden Beinen auf ein Bein verlagern
11 Den Beginn erforschen, vom Stehen in die Hocke zu gehen, und bei der Aufrichtung den Widerstand des Bodens nutzen. Beim Ansatz, in die Hocke zu gehen, den Widerstand des Bodens nicht aufgeben
12 Im Stehen Kopf und Rumpf vornüber umlagern und vom Boden gestützt bleiben
13 Im Stehen oder Sitzen den ganzen Arm auf eine schulterhohe Fläche legen und ihn wieder seitlich hängend auf sich wirken lassen
14 Im Stehen einen Stab (Besenstiel) zum Stehen kommen lassen
15 Dem Stab, den die Schwerkraft zieht, zum Boden folgen
16 Gestützte Arme und Beine in Rückenlage mit den Hohlhänden über den Augen
17 Eine Treppe hinuntergehen und dabei der Schwerkraft folgen
18 Auf einem Hocker sitzen und sich vom Boden tragen lassen
19 Eine Treppe auf allen vieren hinaufgehen und dabei die eigene Masse sich verlagern lassen
20 Vom Liegen auf dem Rücken langsam die eigene Masse umlagern und rückwärts rollen
C Hintergründe und therapeutische Praxis
1. Die Arbeit von Elsa Gindler und Heinrich Jacoby
2. Körperverhaltenstherapie
2.1 Körperverfahren in der Verhaltensmedizin
2.2 Leitlinien der Körperverhaltenstherapie
2.3 Therapeutische Wirkprinzipien der Körperverhaltenstherapie
2.4 Ressourcen des Körperverhaltens
2.5 Körperwahrnehmung und Körperverhalten bei Patienten mit psychischen und psychosomatischen Störungen
2.6 Bewegungslernen als Ressource
2.7 Spannungsregulationsfähigkeit als Ressource
3. Achtsamkeit in der psychotherapeutischen Praxis
3.1 Indikationen und Kontraindikationen
3.2 Achtsamkeit als Ressource und Katalysator von Anfang an
3.3 Funktionsstörungen des muskuloskelettalen Systems
3.4 Tinnitus als funktionelle Störung der Wahrnehmung
3.5 Fallberichte
4. Achtsamkeitsgruppe
4.1 Zielsetzung und Setting
4.2 Erforschungen des eigenen Verhaltens
4.3 Strategische Möglichkeiten und didaktische Überlegungen
4.4 Arbeitsgemeinschaft
5. Achtsamkeit im multimodalen Therapiesetting
6. Körperverhaltenstherapeutische Kompetenz und Fortbildung
7. Berichte und Resümees von Patienten
7.1 »Es interessiert!« - »Es funktioniert!« - »Einfach geschehen lassen, toll!«
7.2 Die Sprache des Körpers entdecken
7.3 Ziel des Spieles
7.4 Vertrauen
7.5 Störungen gelassen zur Kenntnis nehmen
7.6 Neue Fragen - neue »Stoffe«
7.7 Achtsamkeit im Alltag
Zuletzt
Literatur
Bildnachweis
Dank
Anhang:
CD mit einer Anleitung zum Probieren
***
Vorwort
Achtsamkeitsbasierte Behandlungsansätze haben zunehmend einen festen Platz in der (Verhaltens-)Therapie verschiedener psychischer und psychosomatischer Erkrankungen gefunden. Sie fi nden Anwendung zur Stressreduktion, zur affektiven Stabilisierung depressiver Patienten, im Rahmen der Dialektischen Therapie von Borderlinestörungen sowie bei der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen. Die genannten Behandlungsansätze orientieren sich, was die Übung von Achtsamkeit angeht, vor allem an der buddhistischen Meditationspraxis.
Achtsamkeit ist eine grundsätzliche menschliche Verhaltensmöglichkeit und damit Thema körperverhaltenstherapeutischer Ansätze. Körperverhaltenstherapie ist der Oberbegriff für den methodischen Ansatz, körperliches Verhalten und die zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten von Lernprozessen und körperlichem Lernen therapeutisch zu nutzen. Dabei wird im Kern versucht, die biologischen Fähigkeiten des Menschen zu bewusster Wahrnehmung und zu einem physikalisch leichten und physiologisch angemessenen Verhalten wiederzuentdecken und zu entwickeln. Somit bestehen Beziehungen zu anderen verhaltenstherapeutischen Ansätzen, die angenehmeres und hedonistisches Verhalten fördern und automatisiertes, unreflektiertes Verhalten zugunsten einer bewussten Verhaltenssteuerung zu verändern suchen (Selbstmanagement, Selbstwirksamkeit, Deautomatisierung, Achtsamkeitskonzepte usw.).
Wenn in diesem Buch versucht wird, Wege zu beschreiben, wie Körper verhalten therapeutisch einbezogen werden kann, so erfolgt dies in einer möglichst einfachen Sprache. Das hat seinen guten Grund; schließlich geht es dabei zugleich um die schwierigste aller menschlichen Fragen, um die ganzheitliche Erfassung der Zusammenhänge des menschlichen Selbst. Wieweit Menschen dazu in der Lage sind, ihr Verhalten zu erkennen und in seinem Wesen zu verstehen, ist nicht nur eine philosophische und erkenntnistheoretische Frage, sondern auch eine psychologische. Menschen verfügen über die einzigartige Fähigkeit, ihr Verhalten auf bewusste Weise erleben und refl ektieren zu kön nen. Der wache und reife Mensch lebt auf bewusste Weise in Kontakt mit sich und den Bedingungen der Umwelt, den Herausforderungen des Lebens.
Wesentliche Impulse für die Übung von Achtsamkeit in der Körperverhaltenstherapie resultieren aus der Arbeit von Heinrich Jacoby (1889 -1964) und Elsa Gindler (1885 -1961), die - wissenschaftsgeschichtlich betrachtet - als Erste einen Perspektivwechsel von gymnastischer zu verhaltensbezogener Körperarbeit entwickelt und begründet haben und auf viele Psychotherapierichtungen und Körpermethoden, wie z. B. auf Moshé Feldenkrais (1904 -1984) und seine Methode zur Verbesserung des Ichbildes, wesentlichen Einfluss ausübten.
Im Idealfall geht Erfahrung dem Wissen voraus. Helmuth Stolze (1917 - 2004), der, angeregt durch die Arbeit Elsa Gindlers, die tiefenpsychologisch orientierte Konzentrative Bewegungstherapie entwickelte, stellte mit Blick auf Versuche, diese Arbeitsweise zu beschreiben, kurz vor seinem Tod fest: »Alle erlauben sie nur eine Annäherung, die die Überzeugungskraft einer Selbsterfahrung nicht ersetzen können.« (Stolze 2006) Das vorliegende Buch stellt nach einem ersten Blick auf Achtsamkeit als Funktionsmöglichkeit des Verhaltens 20 anfängliche Situa tionen aus der Jacoby/Gindler-Arbeit vor, die zusammen mit exemplarischen Anregungen zu alltäglichen Verhaltensreflexionen eine erste Grundlage darstellen, achtsamer zu werden. In dem folgenden theoretischen Teil werden Hintergründe, Grundlagen und Erfahrungen aus der körperverhaltenstherapeutischen Arbeit und der therapeutischen Anleitung zu achtsamem Verhalten dargelegt.
Unsere dualistisch geprägte, Körper und Geist trennende Sprache verursacht mancherlei Missverständnisse, aus denen auch in diesem Buch manchmal sprachliche Unschärfen resultieren, wenn vom Selbst, vom Organismus, vom Körper, von Bewegung oder Körperlichkeit die Rede ist. Nicht immer kann man in einer sachlichen und nicht nur auf Selbsterfahrung ausgerichteten Abhandlung der Empfehlung Elsa Gindlers folgen, die zu den komplizierten Unterscheidungen von Geist und Seele, Bewusstsein, Gefühl, Unterbewusstsein oder Individualität lapidar feststellte: »Für mich fasst das kleine Wort ich dies alles zusammen, und ich rate meinen Schülern immer, ihr eigenes Wort, mit dem sie sich anreden, an die Stelle meines Wortes zu setzen, damit sie nicht erst einen Knoten in die Psyche bekommen und stundenlang darüber philosophieren, wie es und was nun gemeint ist, denn in derselben Zeit kann man immer etwas Nützliches tun.« (Gindler 1926)
Im Sinne Elsa Gindlers und Heinrich Jacobys möchte dieses Buch einladen, achtsam(er) zu werden. Sie verstanden unter ihrer Arbeit das Projekt der Erforschung eigener Verhaltensweisen und der dadurch möglichen Erschließung neuer Verhaltensmöglichkeiten, ein »Laboratorium «, keine Methode. Achtsames, unvoreingenommenes Zurkenntnisnehmen eigener Funktionsweisen wird keine wesentlich anderen Zusammenhänge aufdecken, als es uns moderne bildgebende Verfahren von den Funktionsweisen des menschlichen Nervensystems illustrieren können. Für das Thema dieses Buches ist das heutige Wissen der Lernpsychologie, Neurophysiologie und Neurobiologie, auf das verwiesen wird, noch bruchstückhaft. Eine Neuropsychotherapie lässt sich erst in groben Zügen postulieren (z. B. Grawe 2004, Kandel 2006, Rüegg 2006). Es wird für die Zukunft interessant sein zu beobachten, ob sich wissenschaftliche Fragestellungen stärker an den Befunden empirischer Verhaltensarbeit orientieren werden.
Es geht in diesem Buch auch um die Auseinandersetzung mit physikalischen Realitäten unseres Seins, es ist aber kein Physikbuch. Nicht immer war es möglich, bei der Beschreibung psychologischer Empfi ndungen und des Erlebens physikalischer Größen Begrifflichkeiten ausschließlich im defi nierten Sinn der Physik zu benutzen. Den Leser an allen infrage kommenden Stellen der exakten naturwissenschaftlichen Definitionen zu versichern, hätte zudem oft den Duktus der jeweiligen Argumentation gestört. Beispielsweise kann von »unnötiger Arbeit« die Rede sein, wenn nur Anstrengung gemeint ist. Arbeit wird definitionsgemäß geleistet, wenn durch einen Druck oder Zug etwas, das Gewicht hat, auf einer Strecke (einem Weg) bewegt wird. Eine Anstrengung, die dies nicht bewirkt, ist nach physikalischer Definition keine Arbeit.
Die Fotografien in diesem Buch zeigen achtsames und weniger achtsames Körperverhalten. Vor allem die fotografierten Kinder lassen erkennen, wie es ist, ganz anwesend zu sein, wenn sie etwas ausprobieren, sich bewegen oder ruhen. Bilder von unverstörten Kindern können uns Erwachsene daran erinnern, dass wir alle einmal Kinder waren, die sich ihre Welt durch probierendes, empfindsames und wahrnehmendes Verhalten erschlossen haben. Die Fähigkeit dazu schlummert als Ressource unverlierbar in uns und kann wiederbelebt werden. Die Bilder können auch dazu beitragen, das eigene Sehen zu überprüfen. Wie verhalte ich mich beim Betrachten der Bilder? Was löst die Abbildung in mir aus? Wie schauen wir uns gewöhnlich eine Fotografie an? Welche Tendenzen des Beurteilens nach richtig und falsch, des Kategorisierens und Einordnens stören mich unter Umständen und verhindern wahrzunehmen, was die Bilder in mir auslösen? Geht mir ein Bild noch nach, taucht es später noch einmal auf und kann es mir als Orientierung dienen?
Dieses Buch ist in der praktischen Arbeit mit psychosomatischen Patienten entstanden. Ihnen ist es gewidmet. Besonderer Dank gebührt den Patienten, die ihre persönlichen Aufzeichnungen über ihre Erfahrungen mit Achtsamkeit in anonymisierter Form zur Verfügung stellten. Viele äußerten dabei den Wunsch, andere Patienten mögen sich durch diese Berichte ermutigt fühlen. Neben den zahlreichen psycho therapeutisch tätigen Kolleginnen und Kollegen, Bekannten und Freunden, die auf verschiedenste Weise geholfen haben, danke ich namentlich Mari anne Haag, Hasliberg/Schweiz, für die geduldige Vermittlung der Arbeit und Fragestellungen Elsa Gindlers und Heinrich Jacobys.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass - um den Sprachfluss nicht zu hindern - mit den männlichen Wortformen »Patienten« oder »Therapeuten « im Allgemeinen immer Patientinnen und Patienten bzw. Therapeutinnen und Therapeuten gemeint sind, wie auch zu den Patienten und Therapeuten der Klinik, in der die geschilderten Therapieerfahrungen gemacht wurden, zu etwa gleichen Teilen Frauen und Männer gehören. Eckige Klammern in Zitaten verweisen stets auf Einfügungen des Verfassers.
Wenn einiges in diesem Buch allzu selbstverständlich zu klingen scheint, ist Vorsicht geboten. Sicher, selbstverständlich leben wir im Gravitationsfeld der Erde, wir wissen, dass es Schwerkraft gibt, dass unsere Erlebensweisen physiologischen Gesetzen unterliegen. Aber wissen wir es wirklich? Will sagen: wissen wir es aufgrund erlebter Erfahrungen? Ist hier nicht Nacharbeiten nötig, damit wir erst wieder Anschluss an Erfahrungen finden, bevor wir darüber reden können? Schließlich lassen wir die Sonne permanent »untergehen«, obwohl der Horizont der Erde beim sogenannten »Sonnenuntergang« aufgeht. Die Sprache unserer Wissensstände ist manchmal recht ungenau. Das verrät, wie oberflächlich und kompromissbereit wir uns zu verhalten bereit sind.
Gerade wer dieses Buch als Therapeut liest und Achtsamkeit auf ihren therapeutischen Nutzen hin untersucht, ist eingeladen, achtsamer zuerst für sich selbst zu werden, bevor er anderen Menschen helfen kann, Achtsamkeit als Verhaltensoption für sich wiederzuentdecken. Wie bei allen Therapien und erst recht bei den körperbezogenen Verfahren führt hier der Königsweg des Kompetenzerwerbs über die Selbsterfahrung. Auch in diesem Sinne wurde dieses Buch aus der Praxis für die Praxis geschrieben.
Norbert Klinkenberg, Dr. Dr. med., Arzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (Verhaltenstherapie), Innere Medizin / Rehabilitationswesen, ...
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