Sämtliche Werke - Band 18

Erzählende Schriften I: Erzählungen

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Ernst Jünger als Erzähler – im »Sturm« auf die »Marmorklippen«, mit »Gläsernen Bienen« auf »Eberjagd«.

Der vorliegende Band entspricht Band 15 der gebundenen Ausgabe.

Jüngers erste tatsächlich literarische Konfrontation mit den Ereignissen des Ersten Weltkriegs war der Roman »Sturm«, der als sechzehnteiliger Fortsetzungsroman in einer Zeitschrift erschien. Es ist, wie es im fünften Kapitel einmal heißt, ein »Dekameron des Unterstands«, denn drei Zugführer treffen hier 1916 zu »literarischen und erotischen Gesprächen« in ihrem Unterstand zusammen, bei dem die Kämpfe in den Hintergrund rücken – wenigstens für einen Augenblick.
Ganz anders waren die zeithistorischen Umstände, als die »Afrikanischen Spiele« erschienen – 1936. Eigenes Erleben und literarische Fiktion sind hier eng verbunden, war Jünger doch 1913, mit achtzehn Jahren, zur Fremdenlegion gegangen, von seinem Vater jedoch wieder in die Heimat geholt worden. Ähnlich ergeht es Herbert Berger, der – seinem Leben im Wilhelminischen Deutschland überdrüssig – sich in das »gefährliche Leben« aufmacht.
»Auf den Marmorklippen« ist wohl das bekannteste Buch Jüngers. In einer fiktiven Gesellschaft wird letztlich jedoch das Schicksal der realen verhandelt, und so ist der 1939 erschienene Buch oftmals auch als Parabel auf den Nationalsozialismus und Ausdruck der inneren Emigration des Autors gedeutet worden.
Neben »Die Eberjagd« und »Besuch auf Godenholm« enthält der Band die »Gläsernen Bienen«, in welchen der große Konflikt zwischen Mensch und Technik ausgefochten wird. Der Rittmeister Richard sieht sich – nach der Teilnahme an Kriegen – mit einer gewandelten Welt konfrontiert, in der Liliput-Roboter wie »gläserne Bienen« spezialisierte Arbeiten verrichten. Automation beherrscht die Welt – und lässt das Werk auch heute aktuell erscheinen.

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Leseprobe

Gläserne Bienen

Wenn es uns schlecht ging, mußte Twinnings einspringen. Ich saß bei ihm am Tisch. Diesmal hatte ich zu lange gewartet; ich hätte mich schon längst dazu entschließen müssen, ihn aufzusuchen, doch die Misere raubt uns die Willenskraft. Man hockt in den Cafés, solange noch Kleingeld da ist, dann sitzt man herum und starrt Löcher in die Luft. Die Pechsträhne wollte nicht aufhören. Ich hatte noch einen Anzug, in dem ich mich sehen lassen konnte, aber ich durfte die Beine nicht übereinanderschlagen, wenn ich zu den Leuten ging, denn ich lief auf der Brandsohle. Da zieht man die Einsamkeit vor.
Twinnings, mit dem ich bei den Leichten Reitern gedient hatte, war der geborene Vermittler, ein gefälliger Mensch. Er hatte schon öfters für mich Rat gefunden, wie für andere Kameraden auch. Er besaß gute Verbindungen. Nachdem er mich angehört hatte, machte er mir deutlich, daß ich nur noch auf Posten rechnen konnte, die meiner Lage entsprachen, also auf solche, bei denen es einen Haken gab. Das war nur allzu richtig; ich durfte nicht wählerisch sein.
Wir waren befreundet, was nicht viel besagen wollte, denn Twinnings war mit fast allen befreundet, die er kannte und mit denen er nicht gerade verfeindet war. Das war sein Geschäft. Daß er mir gegenüber ungeniert war, empfand ich nicht als peinlich; man hatte da eher das Gefühl, bei einem Arzt zu sein, der gründlich abhorcht und keine Sprüche macht. Er faßte mich am Aufschlag meines Rockes, dessen Stoff er betastete. Ich sah die Flecken darauf, als ob mein Blick sich geschärft hätte.
Er ging dann im einzelnen auf meine Lage ein. Ich war schon ziemlich verbraucht und hatte zwar viel gesehen, doch wenig bestellt, auf das ich mich berufen konnte – das mußte ich zugeben. Die besten Posten waren die, aus denen man ein großes Einkommen bezieht, ohne zu arbeiten, und um die  man von allen beneidet wird. Aber hatte ich Verwandte, die Ehrungen und Aufträge zu vergeben hatten, wie etwa Paulchen Domann, dessen Schwiegervater Lokomotiven baute und der bei einem Frühstück mehr verdiente als andere Leute, die sich sonntags wie alltags abrackern, im ganzen Jahr? Je größer die Objekte sind, die man vermittelt. desto weniger machen sie zu schaffen; eine Lokomotive ist leichter zu verkaufen als ein Staubsauger.
Ich hatte einen Onkel, der Senator gewesen war. Aber er war seit langem nicht mehr am Leben; niemand kannte ihn mehr. Mein Vater hatte als Beamter ein ruhiges Leben geführt; das kleine Erbe war längst verzehrt. Ich hatte eine arme Frau geheiratet. Mit einem toten Senator und einer Frau, die selbst die Türe öffnet, wenn es klingelt, kann man keinen Staat machen.
Dann waren da die Posten, die viel Arbeit machen und bestimmt nichts einbringen. Man mußte Eisschränke oder Waschmaschinen von Haus zu Haus anbieten, bis man die Türklinkenangst bekam. Man mußte alte Kameraden vergrämen, indem man sie besuchte und hinterlistig mit Moselweinen oder einer Lebensversicherung überfiel. Twinnings ging mit einem Lächeln darüber hinweg, und ich war ihm dankbar dafür. Er hätte mich fragen können, ob ich Besseres gelernt hätte. Er wußte zwar, daß ich in der Panzerabnahme zu tun gehabt hatte, aber er wußte auch, daß ich dort auf der Schwarzen Liste stand. Darauf werde ich noch zurückkommen.
Es blieben Geschäfte, denen ein Risiko anhaftet. Man hatte ein bequemes Leben, hatte sein Auskommen, aber unruhigen Schlaf. Twinnings ließ einige Revue passieren, es handelte sich um polizeiähnliche Anstellungen. Wer hatte heute nicht seine Polizei? Die Zeiten waren unsicher. Man mußte Leben und Eigentum schützen, Grundstücke und Transporte überwachen, Erpressungen und Übergriffe abwehren. Die Unverschämtheit wuchs im Verhältnis zur Philanthropie. Von einer gewissen Prominenz an durfte man sich nicht mehr auf die öffentliche Hand verlassen, sondern mußte einen Stock im Haus haben.
Aber auch hier war viel weniger Angebot als Nachfrage. Die guten Plätze waren bereits besetzt. Twinnings hatte viele Freunde, und für alte Soldaten waren die Zeiten schlecht. Da war Lady Bosten, eine ungeheuer reiche und noch junge Witwe, die immer um ihre Kinder zitterte, besonders seitdem die Todesstrafe für Kindsraub aufgehoben war. Doch Twinnings hatte sie bereits bedient.
Da war ferner Preston, der Ölmagnat, den die Pferdemanie gepackt hatte. Er war verschossen in seinen Rennstall wie ein alter Byzantiner, ein Hippomane, der keine Kosten scheute, um seine Leidenschaft zu befriedigen. Die Pferde wurden bei ihm gehalten wie Halbgötter. Jedermann sucht sich ein Relief zu geben, und Preston fand dazu die Pferde geeigneter als Flotten von Tankern und Wälder von Bohrtürmen. Sie brachten ihm Fürsten ins Haus. Aber es war auch viel Ärger dabei. Im Stall, während der Transporte und auf dem Rennplatz mußte man allen scharf auf die Finger sehen. Da drohten die Verabredungen der Jockeys, die Eifersucht von anderen Pferdenarren, die Leidenschaften, die mit hohen Wetten verbunden sind. Es gibt keine Diva, die so bewacht werden muß wie ein Rennpferd, das den Großen Preis gewinnen soll. Das war ein Posten für alte Kavalleristen, für einen Mann, der Augen im Kopf und ein Herz für die Pferde hat. Aber da saß schon Tommy Gilbert und hatte seine halbe Schwadron mit untergebracht. Preston hielt ihn wie seinen Augapfel.
Am Rond Point suchte eine reiche Schwedin einen Leibwächter. Sie hatte deren schon mehrere gehabt, da sie ständig um ihre Tugend zitterte. Je strenger man jedoch den Posten wahrnahm, desto gewisser kam es zu einem häßlichen Skandal. Außerdem war das nichts für einen Verheirateten.
Twinnings zählte diese und andere Stellen auf wie ein Küchenchef die leckeren Gerichte, die von der Karte gestrichen sind. Alle Vermittler haben diese Eigenart. Er wollte mir Appetit machen. Endlich kam er mit greifbaren Angeboten – man konnte wetten, daß es da mehr als ein Haar in der Suppe gab.

Klett-Cotta
2. Druckaufl. 2021, 559 Seiten, Broschiert
ISBN: 978-3-608-96318-2
autor_portrait
© Ulf Andersen

Ernst Jünger

Ernst Jünger, am 29. März 1895 in Heidelberg geboren. 1901–1912 Schüler in Hannover, Schwarzenberg, Braunschweig u. a. 1913 Flucht in die ...

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