Regelmäßig gelesen habe ich den Merkur erst ab 1977, und das kam so: Ich war ein aufstrebender junger Germanist, der eigentlich nur noch schnell seine Dissertation über "Arno Schmidt und seine Leser" schreiben musste, sich dann habilitieren und bald darauf einen Ruf annehmen würde − doch bevor ich endgültig in den Zwängen einer akademischen Karriere gefangen sein sollte, wollte ich mir nach gut hanseatischer Art noch ein wenig den Wind um die Nase wehen lassen und, sozusagen, die rezeptionsästhetischen Hörner abstoßen. Und nun war ich also Lektor an der Staatlichen Universität Hiroschima, DAAD-Lektor obendrein, was mir das Privileg gab, über die Mittlerorganisation Inter Nationes kostenlos zwei deutsche Publikationen zu abonnieren und per Luftpost zuschicken zu lassen. Ich wählte, nicht sehr originell, als wöchentliche Liebesgabe aus der alten Heimat die Zeit und zur monatlichen Erbauung eben den Merkur . Ich kannte die Zeitschrift aus meinem Studium, hatte sie immer wieder einmal im Lesesaal durchgeblättert und mich dann doch festgelesen, eher missmutig und unter dem Motto: Man muss seine Gegner kennen. Kursbuch , Frankfurter Hefte , für die Hartgesottenen Das Argument oder Prokla : Das waren die Blätter, die den Weg wiesen und wussten, was ein um das richtige Klassenbewusstsein ringender kleinbürgerlicher Student brauchte, um dermaleinst ein zuverlässiger Bündnispartner des Proletariats und gefestigter linker Intellektueller zu werden. Der Merkur also. Die Autoren − linke, liberale, konservative − waren klug und nicht selten provozierend gebildet, konnten auch, was mir besonders schmerzhaft auffiel, besser schreiben, eleganter, sarkastischer als die verdienten Genossen im Bergwerk der Prokla . Doch war Besser-Schreiben nicht sowieso eine bourgeoise Marotte und wurde in unserer spätkapitalistischen, dem verdienten Untergang geweihten Welt naturgemäß überschätzt? Ich war jedenfalls entschlossen, die Augen offenzuhalten und diesen Elégants, die in schöner Verpackung falsches Bewusstsein verbreiten wollten, unnachsichtig auf die manikürten Finger zu schauen.
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