MERKUR

Heft 10 / Oktober 2018

Heft 833

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Von allen Namen, die man den Frauen gibt, wird Jeanne viele Jahre später einem Freund erklären, ist der Vorname der einzige, der nur ihr gehört. Anders als der Nachname, das sogenannte Patronym, das die Frau mit dem Namen entweder eines Ehemannes oder eines Vaters versieht. Die Frauen trügen diesen Namen, so nochmals Jeanne, wie Sklaven die Brandmale auf ihrer Stirn, die sie als Eigentum ihrer Halter ausweisen.
Caroline Arni, Die freien Frauen von 1832

Der Markt fordert heute sowohl die Privatsphäre als auch die Sphäre von Politik und Öffentlichkeit beständig heraus – Max Weber sprach mit offenkundiger Anleihe bei den Naturgewalten von einem "Anbranden des Marktes". Das Eiland der Privatsphäre erodiert unter der Kommodifizierung hinweg. Aber auch der Politik stellt der Markt die Existenzfrage.
Oliver Schlaudt, Öffentlichkeit, Privatspähre und Macht

Aber auch jenseits von vielleicht erstmal spielerisch bis albern anmutenden Augmented-Reality-Anwendungen greifen im Internet der Dinge vermehrt Verfahren, die an neuralgischen Stellen zwar bildtechnologische Elemente und Operationen enthalten, dabei aber auf bildförmige Ausspielungen verzichten können, weil die Beteiligung menschlicher Akteure in diesen Prozessen nicht oder nur noch nachrangig vorgesehen ist. Die Daten werden erhoben, auch verarbeitet, aber nicht mehr auf herkömmliche Weise visualisiert.
Simon Rothöhler, Calm Images

Wenn Schule nicht die sozialen Implikationen von Algorithmen reflektiert, sondern nur lehrt, wie man diese programmiert und effektiv einsetzt, konditioniert sie den Menschen auf sein Dasein als Objekt algorithmischer Kontrolle. Eine digitale Bildungsrevolution, deren blinder Fleck die digitalen Medien selbst sind, legt den Grundstein für eine auf Selbstkontrolle und Selbstoptimierung orientierte kybernetische Gesellschaft, wie sie in China bereits mit der Einführung des Social-Score-Systems aufscheint.
Roland Reichenbach/Roberto Simanowski, Zum digitalen Wandel im Bildungssystem

Israel war lange stolz darauf, die einzige Demokratie im Nahen Osten zu sein. Solange das ein Gütezeichen war, hatten die Siedler es schwer, ihr koloniales Herrschaftssystem zu legitimieren, das sie in den besetzten Gebieten errichteten. Unter dem gegenwärtigen Premierminister machen sie jetzt große Fortschritte. Sie beherrschen seine Kabinette und nehmen selbst den arabischen Bürgern, die die israelische Staatsangehörigkeit besitzen, schrittweise ihre demokratischen Rechte. Was mit Ben-Gurion vor hundert Jahren als ein historisches Drama begann, wird bei Netanjahu zur politischen Tragikomödie.
Jakob Hessing, Ben-Gurion und Netanjahu

Er war im Leben und Tod einer der mir fremdesten Menschen, die ich kenne und gekannt habe. Oder sollte ich sagen: einer der ungewöhnlichsten? Als wir uns zum ersten Mal trafen, um herauszufinden, ob wir zusammen den Merkur machen könnten, fiel die bejahende Entscheidung meinerseits nicht wegen einer ähnlichen oder sich annähernden Idee zum Projekt. Die ließ noch einige Zeit auf sich warten. Vielmehr von meinem Eindruck, einen völlig unabhängigen, originellen, ehrlichen, eben seltenen Charakter vor mir zu haben.
Karl Heinz Bohrer, Kurt Scheel. Eine Erinnerung

Waren es in der Vergangenheit vornehmlich Männer, die die Heimat verließen, um ihre Familien versorgen zu können, und kamen (ihre) Frauen – wenn überhaupt – als Nachzüglerinnen hinterher, hat sich dies in den letzten Jahren so massiv verändert, das heute von einer "Feminisierung der Migration" die Rede ist. Mehr als die Hälfte der Migranten sind mittlerweile Frauen – aus den Philippinen sind es sogar 70 Prozent. Im Lauf der Zeit wurden Migrantinnen, die in Branchen wie Gesundheit, Gastronomie, Hotelwesen, Haushalt sowie der Pflege und Betreuung von Kindern, Älteren oder Kranken arbeiten, oftmals zur Haupt- oder sogar einzigen Einnahmequelle für ihre Familien.
Zuhal Yeşilyurt Gündüz, Die Feminisierung der Migration

Was ihn zum Ahnherrn der modernen Haute Cuisine macht, ist etwas anderes: Es ist die innere Organisation, die das neue Kochen auszeichnet – seine Modularität. Jede Zubereitung stellt in dieser neuen Küche ein Element dar, das auf einer höheren Ebene neu bearbeitet oder mit anderen Zubereitungsformen kombiniert werden kann, um auf diese Weise wiederum ein modulartiges Element zu bilden, das erneut für beliebig viele Anschlüsse offen ist.
Anatol Schneider, Ich koche, also bin ich

Bemerkenswert an den Debatten, die sich daran knüpfen, ist, dass die üblichen technikkritischen Muster, die bei der öffentlichen Verständigung über andere Informationstechnologien routiniert eingespielt sind, etwa die Rede von Chancen und Risiken oder Tätern und Opfern, hier so gut wie nicht aktiviert werden. Die Blockchain-Technologie wird nicht nur von der Wirtschaftspresse, sondern auch von Teilen des links-libertären Spektrums  enthusiastisch begrüßt.
Dietmar Janetzko, Everybody's Darling: die Blockchain

Der 29. September 1989 war ein Freitag. Es war der Tag, an dem meine Eltern neben ihrem toten Kind aufwachten. Plötzlicher Kindstod ist eine Beschreibung, die keine Erklärung gibt. Es bleibt medizinische Ungewissheit. Erleichtern präzise Gründe die Trauer? Oder bleibt das Leben einem am Ende nicht immer eine Erklärung schuldig?
Lisa Krusche, 29. September

Es zeugt doch von einer gewissen Ironie, dass hier ein junger Rechter nach einem geschützten, privaten Raum von der Größe einer deutschen Mittelstadt verlangt, nach einem Raum also, der mit dem vielgeschmähten, von einigen Linken geträumten Traum vom Safe Space oder Safer Space verwandt ist, vom diskriminierungsfreien oder wenigstens -armen Raum also, in dem so etwas wie verhältnismäßige Sicherheit herrscht, beispielsweise für Frauen, Nicht-Weiße oder Queers.
Enis Maci, Sommerloch und andere unsichere Räume

MERKUR Jahrgang 72, Heft 833, Heft 10, Oktober 2018
broschiert
ISSN: 0026-0096

Autoren in dieser Ausgabe

Caroline Arni, Oliver Schlaudt, Simon Rothöhler, Roland Reichenbach, Roberto Simanowski, Jakob Hessing, Karl Heinz Bohrer, Zuhal Yeşilyurt Gündüz, Anatol Schneider, Dietmar Janetzko, Kenneth Anders, Lisa Krusche, Enis Maci,


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