Der moderne Konformismus des Denkens ist eine Konsequenz der Entmythologisierung, der Entzauberung der Welt − also eine Nebenwirkung der Aufklärung. Wir sagen, was man sagt, weil wir uns nicht mehr vom Gesetz, der Sitte und der Tradition getragen fühlen. Diese modernitätsspezifische Anomie führt also geradenwegs zu Konformismus: Die Emanzipation der Vernunft hat uns der öffentlichen Meinung versklavt. Modern entsteht Konformismus durch Informationskaskaden, also durch soziale Mimesis. Wenn man nicht weiß, was man tun soll, ist es durchaus lebensklug, sich an dem zu orientieren, was die anderen tun. Die Menschen verlassen sich dann nicht auf ihre privaten Meinungen und Informationen, sondern schließen sich anderen an. Das geschieht um so schneller, je enger die Gruppenbindungen sind. Diese Informationskaskaden nehmen leicht die Gestalt von sozialen Kaskaden an − wenn etwa Menschen Angst vor XY bekommen, weil andere Menschen Angst vor XY zeigen. Ein Anthropologe würde wohl sagen: Der Mensch ist ein Mitläufer. Politisch betrachtet wäre das Eingeständnis fällig, dass die moderne Demokratie den Konformismus begünstigt. Und technisch gesehen ist er ein Effekt der Massenmedien. Sehen wir näher zu. Je besser die Massenmedien die öffentliche Meinung organisieren, desto wahrscheinlicher wird es, dass sich die meisten Menschen in ihrem Urteil über die Meinung der meisten Menschen irren. Dieser Irrtum potenziert sich dann in der öffentlichen Meinung über die öffentliche Meinung. Wenn sich aber die Mehrheit über die Mehrheit täuscht, muss dem eine Angstdynamik zugrunde liegen, die so alt ist wie die Demokratie: die Angst, von der Mehrheit geächtet zu werden.
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