MERKUR

Heft 08 / August 2010

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Bjørn Lomborg, Joel Malan

Es gibt klügere Strategien . Wie wir mit dem Klimawandel umgehen sollten

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Zitate:

Vergleichen wir ein Auto und einen Fluss. Die mechanischen Bewegungsgesetze gestatten mir, unter gegebenen Bedingungen mit ziemlich hoher Gewissheit vorauszusagen, dass das Auto mit einem Hindernis kollidiert und welches Schadensrisiko daraus entsteht. Auf dieser Basis lassen sich dann technische Vorsorgemaßnahmen treffen: Wir können das Auto mit einem Automaten ausstatten, der eine Vollbremsung einleitet, sobald eine bestimmte Geschwindigkeitsschwelle überschritten wird. Solche Probleme, bei denen man in der Regel eine klar definierte und erreichbare Lösung erwarten kann, nennt man in der Entscheidungstheorie "zahm". Technische Probleme, auch wenn sie kompliziert sind wie das Sicherheitssystem eines Kernreaktors, sind meist "zahme" Probleme. Schwieriger wird die Situation beim Fluss. Ob er zu einem bestimmten Zeitpunkt über seine Ufer tritt und Menschen und Sachwerte gefährdet, ist eine Frage, die meist an eine viel größere Zahl von Bedingungen gekoppelt ist als beim Auto. Vor allem dann, wenn man den Fluss in ein größeres ökologisches Szenario einbettet. Man treibt so die Zahl der möglichen Ursachen, aus denen er sein Bett verlassen kann, hoch − bis ins Unübersehbare. Solche Probleme sind "tückisch" ("wicked problems"). Die meisten großen Probleme, mit denen wir es heute zu tun haben, sind von dieser Sorte: Umwelt, Armut, Ernährung, Bevölkerungswachstum, Städtebau, Finanzsysteme. Sie beginnen schon mit der Definition des Problems selbst. Eine gemeinsame Diagnose des Klimaproblems scheint offensichtlich sehr schwer, das hat nicht zuletzt der Klimagipfel in Kopenhagen gezeigt: Das Klima ist kein "zahmes" physikalisch-statistisches Problem, sondern ein "tückisches" wissenschaftlich-politisch-sozial-kulturelles Problemknäuel, das in der Regel noch moralisch umnebelt wird.

Eduard Kaeser, Tückische Probleme muss man nicht lösen, man muss mit ihnen leben


Als wir 1984 zum ersten Mal verhungernde Kinder in Afrika sahen, waren alle empört. Aber irgendwann hat man genug verhungernde Kinder gesehen, und die Bilder gehen einem nicht mehr so unter die Haut. Der Klimawandel ist jetzt die aufregende Neuigkeit. Denken Sie daran, wie wir auf die Erdbebenkatastrophe in Haiti reagiert haben. Das Land befand sich auch davor schon in einem desolaten Zustand, aber es bedurfte einer Katastrophe, damit wir ihm Beachtung schenkten. Denken Sie daran, wie wir uns 2004 im Fall des Tsunami verhielten, bei dem etwa dreihunderttausend Menschen umkamen. Das ist eine schrecklich hohe Zahl von Toten, aber es ist ungefähr dieselbe Zahl von Menschen, die alle zwei Monate in Südostasien an Infektionskrankheiten sterben. Diese Toten sehen wir nicht! Der Klimawandel bietet einfach viel stärkere Bilder, er erfreut sich einer viel besseren Öffentlichkeitsarbeit, und er beunruhigt uns erheblich mehr, weil diese Bilder eine faszinierende Geschichte erzählen. In dieser Geschichte kommt sogar der Weltuntergang vor, und sie gibt uns Gelegenheit, uns zu so ziemlich allem zu äußern. Wenn wir einen sehr warmen Winter haben, dann heißt es: "Sehen Sie, das ist der Klimawandel." Und wenn es einen sehr kalten Winter gibt, dann soll der Klimawandel auch dafür verantwortlich sein. Der Klimawandel hat all die Eigenschaften, die nötig sind, um sexy zu sein; er verkauft sich gut in den Medien, und ein jeder von uns kann sich bei dem Thema ein bisschen schuldig fühlen. Aber künftige Generationen werden uns danach beurteilen, ob wir bis zum Ende dieses Jahrhunderts eine bessere oder eine schlechtere Welt geschaffen haben, und der entscheidende Punkt ist der, dass wir mit all dem Geld, das wir im Kampf gegen den Klimawandel ausgeben, der Welt sehr viel mehr helfen könnten, wenn wir uns auf die Bereiche konzentrierten, wo dieses Geld gut angelegt wäre.

MERKUR Jahrgang 64, Heft 735, Heft 08, August 2010
broschiert
ISSN: 0026-0096

Autoren in dieser Ausgabe

Niels Werber, Remigius Bunia, Egon Flaig, Algis Valiunas, Michael Rutschky, David Wagner, Jens Bisky, Rainer Paris, Christian Demand, Thomas E. Schmidt, Eduard Kaeser, Bjørn Lomborg, Joel Malan,


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