Die Frage klingt überaltert, fast archaisch: Sie ist es aber nicht. Platon hatte erklärt, die Dichter würden lügen, notwendigerweise, denn sie entstellten die Wahrheit um der literarischen Effekte willen. Und die Künstler seien ohnehin buchstäblich drittklassig, denn was sie abbildeten sei schon die Abbildung von etwas, das sie gar nicht selbst erfassen könnten. Zweifellos würde man heute die platonische Begründung für den Verdacht gegen die Kunst so nicht mehr wiederholen. Das aber ändert nichts an dem immer wieder erneuerten Verdacht selbst. Es sei denn, dass man Kunst und Literatur, sollen sie denn ernst genommen werden, von vorneherein als eine andere Form der Philosophie oder der Wahrheit versteht, so wie es die idealistische Tradition immer schon gesehen hat. Dem aber stellt sich die Kategorie der "Illusion" des künstlerischen Scheins in den Weg, insofern sie das Ästhetische als ein "Phänomen" empfindet, als ein über die Abbildung der Wirklichkeit Hinausgehendes, nicht einfach sie Verfälschendes, wie es die platonische Kritik impliziert. Nicht Referenztäuschung, sondern Referenzverweigerung. Wie heftig dieser Unterschied noch immer umstritten ist, lässt sich am Pulsschlag unseres akademischen Theoriebetriebs überall erkennen. Und besonders, wenn das Thema "Illusion" - seit dem "aesthetic turn" der achtziger Jahre präsent - auf die Tagesordnung kommt wie vor einiger Zeit auf einem Stuttgarter kunsthistorischen Kolloquium. Man kann dann erleben, wie die Stichflammen alter, nie begrabener Überzeugungen gegen den Illusionsbegriff hochschießen: Überzeugungen von der kritischen Funktion der Kunst dergestalt, dass sie unsere miserable Welt entlarve, unser entfremdetes Dasein kommentiere und, wo sie das nicht tut, auf eine Lüge hinauslaufe. Das ist die archaische Antwort auf die aktuelle Frage: Platons Fälschungsvorwurf und Hegels Wahrheitskriterium stehen dann senkrecht von den Toten wieder auf.
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