MERKUR

Heft 02 / Februar 2011

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Dietmar Voss

Leben machen und sterben lassen . Facetten der Bio-Macht

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Zitate:

Im Grundmuster der patriarchalen Souveränität, die Sterben "macht" und Leben "lässt", stehen der Typus des Henkers und des Soldaten, der "ministres de la mort" (de Maistre), an zentraler Stelle. Durch staatlich sanktionierte Blutopfer, durch politische Rituale öffentlicher Hinrichtungen und entfesselter Kriegsgewalt repräsentieren sie die Ordnung der souveränen Macht, wobei sie deren unordentliche, heterogene Entstehung durchscheinen lassen. Mögen solch zeremonielle Entfesselungen von Gewalt für die Machthaber und Untertanen nur das heilige Gesetz, die Gerechtigkeit des Souveräns ausdrücken, so stellen sie doch an sich den − thanatophilen −Kern der patriarchalen Macht dar. Auf der anderen Seite "lässt" diese aber auch die Möglichkeit eines souveränen Lebens zu: die unerhörte Freiheit kriegerischer Aristokraten vom Schlage Alexanders des Großen oder Cesare Borgias, die politische und militärische Vernunft mit zügelloser dionysischer Ausschweifung, mit selbstverschwenderischem Rausch in Erotik und Kampf zu verbinden wussten. Ganz anders die neue Bio-Macht: Sie lenkt den Fokus politischer Aktivität und Legitimation vom Tod auf das Leben − des gesellschaftlichen Gattungskörpers. Ihn hegt und pflegt und umsorgt nun die Macht, womit sie "Leben macht" und mütterlich, biopolitisch wird. Neben dem Kampf gegen epidemische Infektionskrankheiten, die Wellen des Todes über die Bevölkerung spülten, kommt ein weiteres Operationsfeld der Bio-Macht ins Spiel: Endemien, schleichende Erkrankungen des Gattungskörpers, die dessen Leben nicht wie die Epidemien brutal und massenhaft auslöschen, sondern hinterhältig schwächen, es unentwegt zerfressen, indem sie ihm permanent Energien entziehen (und ökonomische Kosten verursachen) − wie Raucherleiden, Bandscheibenschäden, Fettleibigkeit. So spielt im "Aktionsplan Gesundheit", den das Bundesgesundheitsministerium 2008 vorstellte, ein "Fünf-Punkte-Plan gegen Fettleibigkeit" eine gewichtige Rolle. Öffentliches Rauchen, das lange Zeit ein aristokratisches Prärogativ war und zu den im 19. Jahrhundert erkämpften bürgerlichen Grundfreiheiten zählte, wurde bekanntlich weitgehend verboten.

MERKUR Jahrgang 65, Heft 741, Heft 02, Februar 2011
broschiert
ISSN: 0026-0096

Autoren in dieser Ausgabe

Michael Rutschky, Dietmar Voss, Ernst-Wilhelm Händler, Karl Heinz Bohrer, Hansjörg Küster, Jürgen Osterhammel, Siegfried Kohlhammer, Horst Meier, Michael von Prollius, Gerd Ganteför, Erik Zyber, Hans Dieter Schäfer,


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