MERKUR

Heft 02 / Februar 2011

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Michael Rutschky

Krieger

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Zitate:

Lassen sich tatsächlich irgendwelche Ähnlichkeiten zwischen diesen Kriegern und dem finnischen Gymnasiasten, der in seiner Schule Amok läuft, feststellen? Willie, dem degagierten Guerillero, und dem Gymnasiasten Berger, den der Vater eben aus der französischen Fremdenlegion losgeeist hatte, damit er doch noch das Abitur ablege, und der sich aufatmend mit neunzehn in den Ersten Weltkrieg stürzt; Gelowicz und den anderen versprengten Kriegern gegen die Ungläubigen? Was insgesamt imponiert, das ist die Ziellosigkeit dieser Kriegshandlungen, dass kein hoher Sinn sich einstellen will, sie zu erfüllen − sogar bei Berger, der immerhin seinem Vaterland als Soldat aufopferungsvoll dient, fehlt dieser Sinn durchaus. Dafür finden sich in seinem Kriegstagebuch prägnante Schilderungen des Lebensgefühls, das den Krieger antreibt und ihm all diese Nahaufnahmen in einer paradoxen Form des Selbstgenusses unter Todesgefahr zusammenfügt. "Unvergesslich sind solche Augenblicke auf nächtlicher Schleiche. Auge und Ohr sind bis zum äußersten gespannt, das näher kommende Rauschen der fremden Füße im hohen Grase nimmt eine merkwürdige, unheildrohende Stärke an, − es füllt einen fast ganz aus. Der Atem geht stoßweise; man muss sich anstrengen, sein keuchendes Wehen zu dämpfen. Mit kleinem, metallischem Knacks springt die Sicherung der Pistole zurück; ein Ton, der wie ein Messer durch die Nerven geht. Die Zähne knirschen auf der Zündschnur der Handgranate. Der Zusammenprall wird kurz und mörderisch sein. Man zittert unter zwei gewaltigen Gefühlen: der gesteigerten Aufregung des Jägers und der Angst des Wildes. Man ist eine Welt für sich, vollgesogen von der dunklen und der entsetzlichen Stimmung, die über dem wüsten Gelände lastet." Man möchte diesen Typus Krieger zu einer Variante des Ästheten erklären; zugleich eignet diesem Lebensgefühl ein religiöses Moment, das Rudolf Ottos berühmte Phänomenologie des Heiligen als "tremendum" beschreibt. Von der Welt, in welcher die pragmatische Formel gilt, Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, entfernt diese Krieger ihr Lebensgefühl unermesslich. Für sie ist der Krieg kein Mittel, er ist der Zweck.

MERKUR Jahrgang 65, Heft 741, Heft 02, Februar 2011
broschiert
ISSN: 0026-0096

Autoren in dieser Ausgabe

Michael Rutschky, Dietmar Voss, Ernst-Wilhelm Händler, Karl Heinz Bohrer, Hansjörg Küster, Jürgen Osterhammel, Siegfried Kohlhammer, Horst Meier, Michael von Prollius, Gerd Ganteför, Erik Zyber, Hans Dieter Schäfer,


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