Sich von einem Ehepartner zu trennen mag – und selbst das ist oft schwer – gelingen. Die Gesellschaft sieht für diesen Fall sogar formale Wege vor. Geschwistern dagegen bleibt man lebenslang verbunden, und auch wenn man sich von ihnen lossagt, bleiben sie Geschwister – es gibt kein Ritual für eine Auflösung dieser Verbindung. Geschwister bleiben aneinander gebunden, sei es im glücklichen Fall in Liebe, sei es unter weniger günstigen Umständen in Distanz oder gar Hass und Groll über alte Verletzungen. All dies hat nicht zuletzt damit zu tun, dass man mit seinen Geschwistern meist die prägenden Jahre seines Lebens in (oft auch körperlich) enger Bezogenheit verbracht hat. Dabei werden aus den unterschiedlichen Geschwisterkonstellationen heraus elementare soziale Umgangsformen erprobt und erlernt – helfen, verhandeln und teilen, Verantwortung übernehmen und streiten. Auch werden elementare Erfahrungen mit Gleichheitsanspruch und Konkurrenz gemacht. Vor allem aber werden Gefühle erlebt, meist in allen ambivalenten Varianten und Extremen kindlicher Affektivität – Liebe, Rivalität, Eifersucht, Wut, Neid, Freude, Angst und Schmerz. Wohl nicht zufällig erzählt die Bibel in einer ihrer frühesten Geschichten von einem tödlichen Streit zwischen Brüdern …
Bereits vor über 100 Jahren wurde das Thema »Geschwister« von Alfred Adler in den Blick genommen, doch bis heute wurde ihm vielfach nicht die Aufmerksamkeit zuteil, die ihm eigentlich zukommt. Daher wurde diesem Thema in dieser Ausgabe der Familiendynamik viel Raum gegeben.